===> AM GLOCKENBORN

  

Wenn der Tag im Seelschen Bruch erwacht und zartes Morgenrot den Himmel dekoriert, erfüllt munteres Vogelgezwitscher die Weiten der heimatlichen Niederung. Unentwegt wabern über Wiesen und Gräben geheimnisvolle Nebelschleier, die mystische Reize verbreiten, wie einst auf wogenden Wellen des versunkenen Sees.

 

Wo Fischer in grauer Vorzeit aus schaukelnden Kähnen ihre selbstgestrickten Fangnetze und Reusen ausbrachten, erinnern am einstigen Ufer uralte Landmarken an ihre verflossene Bedeutung.

Sagen und Geschichten vom Nesselberg und Taternspring, ergänzt von Schilderungen zum Glockenborn, sind Zeugnisse einer lebendigen Vergangenheit. Besonders die Sage von der versunkenen Glocke liefert einen Blick in alltägliche Beschwernisse unserer Altvorderen.   

  

Im Südwestwinkel des Bruches liegt die nie versiegende Quelle des Glockenborns, deren morastiges Umfeld am Ufer des Sees nur Einheimischen vertraut war. Nur sie kannten im Mittelalter alle tückischen Untiefen, jeder andere drohte im Morast zu versinken.

Diesen Vorteil nutzen Selschens Bürger, um ihren größten Schatz vor Raub oder Zerstörung zu schützen. Bei drohenden Gefahren versenkten sie an einer dafür bezeichneten Stelle ihre kostbare Glocke im schützenden Untergrund des Glockenborns. Sobald alle Bedrohungen vorüber waren, holten sie flugs die Glocke wieder aus ihrem Versteck. Wohl Wetterunbilden, Vergesslichkeit oder andere Ereignisse führten zum Verlust der Glocke, da keiner mehr ihr Versteck kannte.

Eine junge Schweinehirtin trieb eines Tages ihre Herde ins Bruch, wo die Tiere ausgelassen im Morast suhlten. Als eine Sau beim Wühlen im Schlamm glänzendes Metall freilegte, band die Schweinehirtin ihr rotes Strumpfband an das Stück, eilte ins nahe Dorf und berichtete aufgeregt davon. Alle Bewohner zogen mit froher Erwartung hin zu der Stelle und entdeckten die einst verloren geglaubte Glocke. Große Freude breitete sich in Windeseile aus, alle befreiten zusammen die Glocke aus ihrer misslichen Lage und zogen mit ihr ins Dorf.

Ein überliefertes Gedicht fasst die Begebenheit zur versunkenen Glocke gekonnt zusammen:

"De Sö hett mi funn`n,
dat Mäken hett mi bun`n
mit'n roon Strumband,
mit'n roon Strumband."