===> SELSCHENs CHRONIK.

Der bekannte Heimatforscher und Naturfreund Dr. Albert Hansen hat sich umfassend mit unserer Heimatgeschichte befasst und dazu umfangreiche Fakten zur Historie von Selschen dokumentiert. Heute noch liefern seine Aufzeichnungen ein lebendiges Bild zu einer im Mittelalter blühenden Siedlung.
Im Werk "Die Namenlandschaft zwischen Oberer-Aller und Sarre (Bode)" hat Dr. Albert Hansen seinen Fundus aus einer langen Forschertätigkeit zusammengeführt, die Max Bathe als Herausgeber mit einigen Ergänzungen versah. 
Einige Auszüge daraus liefern verlässliche Angaben zu Selschens Geschichte.

"42         Der Ort Seelschen ist früh erwähnt: um 900. Das berühmte Ludgerikloster bei Helmstedt, das die Tradition an den ersten römisch-christlichen Missionar des ostfälischen Sachsen bewahrt, hatte damals hier schon Besitzt, der als eine sehr alte fromme Stiftung anzusehen ist, also noch aus der Zeit vor der Errichtung des Bistums Halberstadt stammt.Der Name ist in diesen tausend Jahren fast unverändert geblieben: um 900 Seliscon, 1136 Seleske, 1156 Selesche.
Die Selschenschen Urkunden berichten von einem später zu einem Vorwerkshof gemachten Hof, in dem ich einen altsächsischen Sedelhof zu erkennen glaube, um den sich die 12 Freihöfe lagern, wie aus den Urkunden von 1227, die von cives, also freien Männern spricht, und genauer aus denen von 1360 und von 1407 zu ersehen ist. Wem könnten sie anders zugeschrieben sein, als der freien sächsischen Gefolgschaft eines sächsischen Edelings, der hier nach Vernichtung der thüringischen Edelingsschicht und nach Hörigmachung der thüringischen Freibauern, nun „Laten“, seinen Herrensitz nahm? Die Dörfer der Umgebung weisen eine solche stattliche Zahl von Freihöfen nicht auf. Ummendorf hatte keinen, Eilsleben und Wormsdorf je einen. Nur Seehausen, Groß Rodensleben, Barleben oder Bahrendorf hatten viele Freibauern. 

43           Nicht so lange wie die Nachfahren dieser Gefolgschaft hielt sich das Edelingsgeschlecht. Es hinterließ aber unverkennbare Spuren seines einstigen Daseins. Wie in Seehausen, wandte es sich früh dem christlichen Glauben zu. Die Kirche, die der vor oder um 800 in Seelschen residierende Edeling errichtete, war wohl nicht dem heiligen Stephan geweiht, sondern vermutlich einem anderen Heiligen. Vielleicht war der Schutzheilige dieser Taufkirche der Heilige Matthias, weil eine Flur, die Matzbreite, nach ihm genannt ist. Vielleicht war es der Heilige Paulus, weil das Paulusstift in Halberstadt in enge Beziehung zum Priesersitz in Seelschen trat, und auch noch, weil die Archidiakonatskirche in Burg-Seehausen ebenfalls dem großen Missionar Paulus geweiht war. Es wird 1335 Heinrich von Hakenstedt als Propst des Paulusstiftes in Halberstadt erwähnt, also auch als Archidiakon von Seelschen, Urk. Buch Stadt Halberstadt No. 441

44           Seelschens Kirche wurde, genau wie die Pauluskirche von Burg-Seehausen, das erste Gotteshaus der Landschaft und damit die Taufkirche der noch heidnischen unfreien Umwohner altthüringischen Stammes. Das große Taufbecken, das seit Jahrhunderten pietätvoll neben der Ummendorfer Kirche aufbewahrt wird, ist zweifelsohne jenes der Seelschenschen Kirche, das beim Abbrechen der Reste von Kirche und Dorf 1487 neben anderen Heiligtümern der katholischen Zeit nach Ummendorf überführt worden ist.
Im ganzen Mittelalter ist kein Adelsgeschlecht mehr erwähnt, das sich v. Selschen nennt. Die stärkere geistliche Betreuung der Kirchensprengel hat die besonderen Verhältnisse in Selschen wie in Seehausen oder in Geringsdorf traditionsfest bewahrt. Als sie hier Archidiakonate schuf, gehörten sie zu den kleinsten der Halberstädter Kirchenbanne. St. Ludgeri war daran nicht mehr beteiligt. 


45           Was Seelschen angeht, so ist die Urkunde erhalten, nach der 1136 vom Bischof Rudolf von Halberstadt dem dortigen Paulusstift das Archidiakonat übertragen wurde. Das lässt erkennen, daß es dem Bischofe erst jetzt gelungen war (beim Kloster Hamersleben nie), die enge kirchliche Bindung zwischen Seelschen und dem berühmten uralten Doppelkloster Werden a.d. Ruhr-St. Ludgeri bei Helmstedt zu lösen. Er übertrug dem Probste des Paulusstifts zu Halberstadt den Bann der Parochie Seelschen.
St. Ludgeri behält für die Zukunft nur seinen Landbesitz von 7 Hufen, den es zunächst von seinem Meierhofe in Wefensleben bewirtschaften ließ. Um das rationell zu gestalten, wurde auf halbem Wege ein Klosterhof, der später noch mehr erwähnte „Mönchhof“ geschaffen. Landbesitz, der nur Zins gab, wurde verliehen an den Selschenschen Klosterministerialen oder Dienstmann Johannes, den Sohn Ludolfs: 8 Hufen /1170). Drei Freibauern, Rumold, Sibert und Burghard, hatten außer ihrem Eigenbesitz (Allod) zusammen noch über sieben Hufen Klosterland in Pacht oder als Lehn. Das Helmstedter Kloster kaufte 1243 noch 4 Hufen hinzu."