===> DER SEELSCHEN BRUCH.

Ein unbekannter Autor veröffentlichte 1938 einen Zeitungsartikel in dem er die Sage des verschwundenen Sees und der versunkenen Siedlung Selschen behandelt. Der Titel lautet "Der Seelschen Bruch" mit Ergänzung "Ein mitteldeutsches Vieneta - Vom See zur Feldflur".

Dieser Beitrag zeichnet sich durch seine schlichte Sachlichkeit aus, er vervollständigt sinnvoll unsere Heimatgeschichte.

 "DER SEELSCHEN BRUCH 
Ein mitteldeutsches Vineta - Vom See zur Feldflur
Alle Landkarten unserer Heimat verzeichnen westlich von Hakenstedt und Uhrsleben den Seelschen-Bruch. Das ist ein großes Wiesengebiet. Die Wassergräben, die es durchzeihen - der eine nennt sich stolz Hauptgraben - zeigen genau wie die Bezeichnung "Bruch" an, daß hier früher stark sumpfiges Gelände gewesen ist. Vor über zweihundert Jahren wurde es auf Betreiben des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I, urbar gemacht. Aber der Seelensche Bruch, wie er meistens genannt wird, ist nicht immer ein Sumpf gewesen. Ein großer fischreicher See lag hier. Halb gehörte er zum Gebiet der Burg Ummendorf, halb zum Schlosse Erxleben. Die Herren von Alvensleben auf Erxleben hatten ihre Fischereigerechtigkeit an sechs Fischer verpachtet. Sie wohnten meistens in Uhrsleben. Dann hatten sie noch auf dem sogenannten Nesselberge, einer Erhebung mitten im See, ein eigenes Fischerhaus. Die Herren von Alvensleben unternahmen oftmals kleine Vergnügungsfahrten zu einem zierlichen Lusthaus, das sie sich auf einer Insel hatten errichten lassen. 
 
Die Fischer erzählten viel Wunderbares vom Seelschen-See. Bei klarem Wetter wollten sie auf dem Grunde des Sees die Straßen und Gebäude eines stattlichen Ortes gesehen haben. Das sollte die Stadt Seelen sein, die wegen des gottlosen Übermuts ihrer Bewohner in die Wasserfluten gesunken war. Oder die Fischer berichteten von den beiden prächtigen Burgen der geheimnisvollen Tempelherren, Allerseligen genannt, die sich auch noch unter dem Wasserspiegel erheben sollten.
 
Wie so oft, war auch an diesen Erzählungen ein wahrer Kern. Ein stattliches Fischerdorf Seelschen hat sich einst am Ufer des Sees erhoben. Der Ort wird in alten Pergamenten viel genannt. Ein Halberstädter Erzpriester hatte hier als Vertreter des Bischofs seinen Wohnsitz. Seelschen war bestimmt, der führende Ort der Gegend zu werden. Die Entwicklung ging andere Wege und das Dorf wurde von seinen Bewohnern verlassen. Sie zogen nach Ummendorf, wohin auch die Feldmark gelegt wurde. Endlich erinnerte nur noch der Name des Sees an das stattliche Dorf.
 
Aber auch der See verlandete und wuchs immer mehr zu. Im Dreißigjährigen Krieg drangen Schilf und Riedgras weit vor. Schließlich nahm die Stelle des Sees ein Sumpf, ein Bruch ein. Auf Anregung mehrerer Uhrsleber befahl König Friedrich Wilhelm I. die Urbarmachung des Bruchs. Im Jahr 1720 gelang es der Regierung zwischen den Herren von Alvensleben und den beteiligten Gemeinden eine Einigung hinsichtlich des Bruches herbeizuführen. Soweit möglich wurde das Wasser abgelassen, der Hauptgraben als Abzug und Grenze der beiderseitigen Gebiete angelegt und viele kleine Gräben zur Austrocknung gezogen. Vier Jahre nahm das Werk in Anspruch. Dann konnten die Bauern ihre Anteile nehmen. Zwei Mühlen mussten jedoch infolge der Melioration ihren Betrieb einstellen. Die zu Eimersleben gehörende Neue oder Tiedgen-Mühle an der Aller konnte ohne das aus dem Bruch kommende Wasser nicht arbeiten.
 
Wenn heute an der Stelle, wo sich ehemals Schilf und Erlengestrüpp erhob, schöne Wiesen und fruchtbare Felder liegen, so ist das ein Verdienst des oft verkannten Friedrich Wilhelm I. Er hatte nicht nur etwas für seien "Langen Kerls" übrig; die Wohlfahrt des Bauern lag ihm genau so am Herzen. Ein Beweis dafür ist der Seelschen-Bruch."



Der „Seelensche Bruch“, ein Artikel von Peter Wilhelm Behrends in seiner 1826 erschienenen


„Der Seelensche Bruch, jetzt ein großes Wiesenrevier, das, sich, von Uhrsleben ab, an der südlichen Grenze des Gerichtes Erxleben, etwa eine Meile Süd ostwärts bis zur Ovelgünne, hinziehet und von den Markungen der Oerter Eimersleben, Erxleben, Uhrsleben, Hakenstedt, Ovelgünne und Ummendorf umschlossen ist, war ursprünglich ein fischreicher See, welcher halb zum Gebiete der Burg Erxleben und halb zum Gebiete der Burg Ummendorf gehörte. 
 
Die Erxlebenschen Herren hielten allein sechs Pachtfischer darauf, die meistens zu Uhrsleben wohnten und auch auf dem sogenannten Nesselberge, einer Insel im See, ein eigenes Fischerhaus hatten. Die Herren selbst machten auch, noch im 17 Jahrhundert oftmals in Gondeln, Spazierfahren, auf diesem See, zu einem auf einer lieblichen Insel befindlichen Lusthause. - Nach und nach aber bewuchs dieser See immer mehr mit Schilfrohr und wurde so allmählich ein fast unbrauchbarer Bruch, in welchem nur die ehemaligen Inseln, als Hörste, allerlei Buschholz hervorbrachten.
 
Als nun aber der König Friedrich Wilhelm I von Preußen, das edle Bestreben zeigte, die Grundstücke seiner Unterthanen durch Urbarmachung von Sümpfen und Leeden, nutzbarer zu machen und man mit dem Bruche zwischen Hornburg und Oschersleben in hiesiger Nähe einen glücklichen Anfang damit gesehen, so wurde im Jahre 1720, auch, von der Regierung, eine Vereinbarung mit den Herren von Alvensleben und den Gemeinden, die auf Erbpacht einen nicht unbedeutenden Theil haben, wegen der Urbarmachung des Seelenschen Bruches, getroffen. 
 
Man ließ dem gemäß zuvörderst das noch übrige Wasser des Sees ab, legte dann in der Mitte einen Hauptgraben, zugleich als Grenzscheidung der beiderseitigen Gebiete, und mehrere Nebengraben, zum Abzug des Wassers, an. Binnen vier Jahren war das Werk der Urbarmachung dieses Bruches vollendet und es entstanden nun bald die schönsten Wiesen und in der Folge selbst einige fruchtbare Aecker da, wo sonst nur Rohr und wildes Gestrüpp sprosste empor. Übrigens musste, Behufs dieser Urbarmachung des Bruches, eine zum Hause Eimersleben gehörig gewesene und an der Ostingersleber Grenze belegene Wassermühle, die neue oder Tiedchen Mühle genannt, eingehen, weil selbige nun nicht ferner von dem in einem Teiche gesammelten Bruchwasser getrieben werden konnte.“